Veganismus vs. Fleischkonsum: ein festgefahrener Streit und seine Schlichtung

Vegan vs Fleisch

Vegane oder fleischhaltige Ernährung – das ist längst nicht mehr nur eine Frage der persönlichen Präferenz. Um die richtige Ernährungsweise ist längst eine Art Kulturkampf entbrannt, der von beiden Seiten mit teilweise sehr polemischen Mitteln ausgefochten wird.

Das spürt man bis in den privaten Bereich hinein, wo Partys und Freundschaften unter dem Clinch leiden. Mein Anliegen: Mehr Sachlichkeit und Versöhnlichkeit in die festgefahrene Situation bringen. Die These dabei: Die Entscheidung für Veganismus oder Fleischkonsum ist in erster Linie eine der Gesundheit, nicht der Gesinnung.

Sehen wir uns doch einmal möglichst nüchtern die Vorzüge und Probleme der beiden Ernährungsweisen an.

Veganismus: Vorzug Gesundheit

Der Veganismus gebietet den Verzicht auf jegliche tierischen Produkte. Oft geht das weit über die Ernährung hinaus, auch Lederwaren werden gemieden. Man möchte dadurch Tieren Leid ersparen. Das ist zunächst einmal ein hehres Motiv. Bei vielen Veganern spielt, entweder hauptsächlich oder zusätzlich, die Gesundheit eine wichtige Rolle. Ernährungsphysiologisch ist es tatsächlich so, dass der Verzicht auf Fleisch, Eier und Milchprodukte zu weniger Übersäuerung des Körpers führt, was das allgemeine Wohlbefinden erhöht sowie zum Teil Muskelbeschwerden abhilft. Insbesondere der Verzicht auf Milch könnte mit einem geringeren Osteoporoserisiko in Verbindung stehen. Zudem reduzieren Veganer ihr Risiko für solche Krebsarten, denen eine enge Kausalverbindung zum Fleischkonsum nachgesagt wird.

Als einen weiteren Vorzug kann man ferner die allgemein geringere Kalorienaufnahme von Veganern nennen; unter den grössten Kalorienbomben sind schliesslich viele Milch- und Fleischprodukte. Zu guter Letzt haben Veganer, die sich reflektiert (!) ernähren, ein besseres Nährstoffprofil: weniger gesättigte Fettsäuren, dafür im besten Fall mehr Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe.


Reflektierte vegane Ernährung ist jedenfalls für Erwachsene äusserst gesund.
Reflektierte vegane Ernährung ist jedenfalls für Erwachsene äusserst gesund. (Bild: RossHelen / shutterstock)

Problematisch: ethisch motivierter Veganismus

Soweit zum gesundheitlich orientierten Veganismus. Da gibt es aber noch den ideologisch-moralisch motivierten Veganismus. Und der ist aus meiner Sicht hochproblematisch. Er strebt nicht einfach nur danach, dass weniger Tiere getötet werden, sondern verurteilt das Schlachten moralisch. Damit werden automatisch auch alle Menschen, die weiterhin Fleisch herstellen oder verzehren, zu „Bösen“. Das erklärt die wahlweise aggressive oder herablassende Haltung vieler Veganer gegenüber Fleischessern. Wenn es wenigstens ethisch gerechtfertigt wäre! Um das Töten von Tieren moralisch zu verurteilen, müsste man Tieren ein ähnliches Naturrecht wie Menschen zugestehen. Das ist z.B. auf Basis eines jüdisch-christlichen Weltbilds, in dem Gott dem Menschen auch die Tiere zum verantwortlichen Genuss überlassen hat (Genesis 9,3), nicht haltbar. Natürlich vertreten ethisch motivierte Veganer meist ein naturalistisches Weltbild, in dem der Mensch keinen intrinsischen Wert hat, der ihn von den Tieren abhebt. Dann lautet die Argumentation „Menschen dürfen nicht getötet werden, also auch keine Tiere!“ Das Problem ist, dass ein zu Ende gedachter Naturalismus das gleiche Lebensrecht auch Pflanzen, Bakterien und Pilzen zugestehen muss, da sie zweifelsohne auch Lebewesen sind. Da aber herzlich wenig übrigbleibt, wenn man auch noch Pflanzen und Pilze von der Speisekarte streicht, sondern Veganer im Prinzip die Tiere willkürlich als zu schützende Lebewesen aus.


Viele Veganer sind sehr missionarisch eingestellt: hier eine Veganer-Demo in Straßburg 2017. (Bild: Hadrian / shutterstock)
Viele Veganer sind sehr missionarisch eingestellt: hier eine Veganer-Demo in Strassburg 2017. (Bild: Hadrian / shutterstock)

Noch problematischer wird es, wenn die Ethik sich mit der Esoterik verbündet. Manche Veganer behaupten, durch den Schlachtungsvorgang gelangten negative Energien in das Fleisch, die sich dann auf den Menschen übertrügen – weshalb so mancher Veganer in fast schon alttestamentlich-religiöser Weise den Kontakt mit Fleischessern vermeidet. Wer sich über die Spaltung der Gesellschaft sorgt, sollte an diesem Riss nicht vorbeigehen – immerhin scheinen Veganer Sex mit Fleischessern zu vermeiden, wie die neuseeländische Wissenschaftlerin Annie Potts herausfand. Eine Studienteilnehmerin erzählte Potts gar, sie wolle nicht mit einem Menschen intim werden, dessen Körper aus den Körpern toter Tiere bestehe.

Ist der ethisch motivierte Veganismus völlig abwegig? Nein, ein berechtigtes Anliegen sind natürlich die oft katastrophalen Zustände in der Tierhaltung und Fleischherstellung. Aber aus einem Wunsch für artgerechte Tierhaltung folgt noch kein Veganismus; ein bewusster Fleischkonsum, der nur bei entsprechend zertifizierten Herstellern kauft, würde es auch tun.

Problematisch: „Pudding-Veganismus“

Ein weiteres grosses Problem, insbesondere von ethisch motivierten Veganern, ist ihre ernährungsphysiologische Naivität. Solche Konsumenten werden auch als „Pudding-Veganer“ bezeichnet, in Anlehnung an die Tatsache, dass man formal auch dann als vegan durchgeht, wenn man sich nur von Pudding ernährt. Der Wegfall von Fleisch und Eiern kann zu Mangelzuständen in Bezug auf Eisen, Vitamin B12 und Proteine führen – Information und Cleverness sind gefragt, damit die vegane Ernährung wirklich ihr volles Gesundheitspotenzial entfaltet! Ganz besonders kritisch ist Veganismus bei Kindern. Sie haben aufgrund des Wachstums einen erhöhten Proteinbedarf, auch wirken sich Eisen- und Vitaminmangel bei ihnen viel verheerender aus als bei Erwachsenen. Eine vegetarische Ernährungsweise scheint für Kinder unter bestimmten Voraussetzungen machbar zu sein; vom Kinder-Veganismus ist eher abzuraten, es sei denn man achtet sehr sorgfältig auf die entsprechende Nährstoffversorgung, die man am besten regelmässig ärztlich screenen lassen sollte.

Probleme des Fleischkonsums

Fleischkonsum hat zweifellos das Potenzial, der Gesundheit zu schaden, jedenfalls bei den Mengen, die der durchschnittliche Mitteleuropäer heutzutage zu sich nimmt. Die oben bereits angesprochenen Probleme der Übersäuerung, des Krebsrisikos sowie der Arteriosklerose stehen in einem ziemlich klaren Verhältnis mit einem übermässigen Konsum von insbesondere Schweinefleisch.



Und natürlich bleibt als Faktum bestehen, dass Billigfleisch (welches einen inflationären Konsum erst ermöglicht) unter schlimmen Bedingungen hergestellt wird, die zum einen ethisch verwerflich sind, und zum anderen (Stichwort Antibiotika) auch wieder auf die Gesundheit gehen.

Vorzüge einer fleischhaltigen Ernährung

Wer – bitte in Massen, und in vernünftiger Qualität! – Fleisch isst, hat kein Problem mit seiner Eisen- Protein- und Vitamin B12-Versorgung. In Kombination mit genügend Obst und Gemüse in Rohkostqualität können also auch Fleischesser sehr gesund leben. Gute Nachrichten also für alle, die gerne ihren Körper in Schuss halten, sich aber eine vegane Ernährungsweise partout nicht vorstellen können! Ein Verbiegen in totaler Opposition zu den eigenen Neigungen scheint nicht nötig zu sein.

Fazit

  • Ein ernährungsphysiologisch informierter Veganismus ist für Erwachsene sicherlich die beste Ernährungsweise. Bei Kindern muss man hierbei allerdings sehr aufpassen.
  • Wer sich mit veganer Ernährung einfach nicht wohlfühlt, kann auch bewussten Fleischkonsum wählen (und dabei durch Kauf von gut hergestelltem, z.B. von Bio-Fleisch, auch gleich einen ethischen Akzent setzen).
  • Wer den Tieren zuliebe vegan wird, kann das gerne tun. Eine moralische Verurteilung von Fleischessern scheint aber ungerechtfertigt. Moralisch verwerflich ist vielerorts die Art und Weise der Fleischherstellung – worüber sich Veganer und Fleischesser ausnahmsweise mal einig sein sollten.

 

Titelbild: SuslO / shutterstock

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Meine Leidenschaft: Sprache. Meine Ausbildung: naturwissenschaftlich. Meine Themen: Gott - und die Welt.

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