Sozialhilfe in Schweizer Städten im Corona-Jahr 2020: Fallrückgang gestoppt, befürchteter Anstieg blieb vorerst aus

Bern (ots) –

Der Bedarf an Sozialhilfe ist im Durchschnitt von 14 untersuchten Städten gegenüber dem Vorjahr praktisch stabil geblieben. Der befürchtete Anstieg der Sozialhilfefälle aufgrund der Corona-Pandemie blieb in den meisten Städten vorerst aus. Die nur geringe Zunahme von 0,5 Prozent zeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes soziales Sicherungssystem für die Schweiz ist.

Mit einem Anstieg von 0,5 Prozent ist die Zahl der Sozialhilfefälle gegenüber dem Vorjahr praktisch stabil geblieben. Die Corona-Pandemie hat zwar die in den letzten Jahren beobachtete Tendenz zur Fallabnahme unterbrochen, doch der befürchtete deutliche Anstieg der Fallzahlen blieb 2020 aus. Die der Sozialhilfe vorgelagerten Sozialversicherungen und die Unterstützungsleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden (wie Kurzarbeitsregelung, Corona-Erwerbsersatz, vorübergehende Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengelder) konnten während der Corona-Krise die Existenz eines grossen Teils der betroffenen Bevölkerung sichern. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Bund Unterstützungsleistungen für besonders betroffene Kreise weiterhin prüft und bei Bedarf bis zum Ende der Pandemie ausrichtet“, betont Martin Merki, Sozial- und Sicherheitsdirektor der Stadt Luzern.

Neue Armut in grossen Städten

Obwohl das soziale Sicherungssystem in der Schweiz grundsätzlich gut funktioniert, hat die Corona-Pandemie besorgniserregende Lücken aufgedeckt und gezeigt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen durch das soziale Netz fallen. Im Frühling 2020 standen in Schweizer Städten täglich Hunderte von Menschen für kostenlose Mahlzeiten oder Lebensmittelpakete an. In der Region Lausanne beispielsweise wurden im Jahr 2020 über 700 Tonnen Lebensmittel verteilt. Besonders betroffen waren Ausländerinnen und Ausländer, die bei Sozialhilfebezug ihre Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verlieren können. Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur, weist darauf hin, dass in diesem Bereich dringend Anpassungen am System notwendig sind: „Die Überbrückung von Notsituationen soll in Zukunft allen Betroffenen offenstehen; eine weitere Verschärfung der Ausländergesetzgebung wäre kontraproduktiv für die Bekämpfung der Armut.“

Wiederholter Sozialhilfebezug weit verbreitet

Wer einmal Sozialhilfe bezieht, bleibt auch nach der Ablösung oft armutsgefährdet. Wie der aktuelle Kennzahlenbericht zur Sozialhilfe in Schweizer Städten erstmals zeigt, ist wiederholter Bezug von Sozialhilfe ein weitverbreitetes Phänomen: Er betrifft mehr als die Hälfte der Sozialhilfebeziehenden. Das bedeutet, dass es nach einer Ablösung aus der Sozialhilfe zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Wiedereintritt kommt. Die häufigen Wiedereintritte zeigen, dass es die Betroffenen wiederholt schaffen, sich von der Sozialhilfe zu lösen, aber trotzdem armutsgefährdet bleiben. Bereits eine unvorhergesehene Ausgabe wie beispielsweise eine Zahnarztrechnung oder eine instabile Einkommenssituation kann wieder in die Sozialhilfe führen. Es gibt demnach Bevölkerungsgruppen, in denen sich Armut trotz Sozialhilfe verfestigt hat und die sich in einer stets prekären Situation am Existenzminimum befinden.

Städte sind wesentliche Akteure der Sozialhilfe

Der Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe, erarbeitet von der Städteinitiative Sozialpolitik und der Berner Fachhochschule, dokumentiert seit 22 Jahren Entwicklungen von 14 Schweizer Städten auf der Basis von Daten des Bundesamtes für Statistik. Die Städte sind die wesentlichen Akteure in der Sozialhilfe und entwickeln zukunftsfähige Lösungen für gesellschaftliche Veränderungen. In den 14 untersuchten Städten lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz. Die Städte und ihre Entwicklungen in der Sozialhilfe unterscheiden sich wesentlich untereinander, da das Armutsrisiko abhängig ist von der Wirtschaftsstruktur, der Bevölkerungszusammensetzung und der Verfügbarkeit von der Sozialhilfe vorgelagerten Sozialleistungen, wie zum Beispiel Wohnhilfe, Stipendien oder Familienunterstützung.

Die Kennzahlen zur Sozialhilfe in Kürze

14 Städte: Im aktuellen Kennzahlenbericht Sozialhilfe, der auf Auswertungen der schweizerischen Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) basiert, sind 14 Städte vertreten: Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich. In den 14 Städten des Kennzahlenberichts lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz.

Befürchteter Anstieg der Sozialhilfefälle bleibt aus: Die Zahl der Sozialhilfefälle ist 2020 gegenüber dem Vorjahr trotz der Corona-Krise praktisch stabil geblieben. Die nur leichte Zunahme von 0,5 Prozent zeigt, dass die vorgelagerten Sozialversicherungen und die weiteren Unterstützungsleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden die Existenz eines grossen Teils der von der Krise Betroffenen gesichert haben.

Wiederholter Sozialhilfebezug weit verbreitet: Wer sich von der Sozialhilfe lösen kann, bleibt oft armutsgefährdet. Mehr als die Hälfte der Sozialhilfebeziehenden sind wiederholt im Bezug.

Merkmale von Sozialhilfebeziehenden mit wiederholtem Bezug: Besonders gefährdet sind Alleinerziehende, Paare mit Kindern, Personen ohne Ausbildung, Personen mit ausländischer Herkunft aus Nicht-EU/EFTA-Staaten(insbesondere Geflüchtete).

Anstieg der Erstbezüge: Der Anteil der Personen, die erstmals Sozialhilfe beziehen mussten, hat sich im ersten Jahr der Corona-Pandemie erhöht. Es waren vermehrt Haushalte auf Sozialhilfe angewiesen, die ihre Existenz zuvor konstant selbst sichern konnten. Zudem übernimmt die Sozialhilfe zunehmend die Verantwortung für Personen, die 2015 als Flüchtlinge in die Schweiz kamen.

Weitere Informationen

Pressekontakt:

Geschäftsstelle der Städteinitiative Sozialpolitik, Telefon 052 267 59 57, info@staedteinitiative.ch
Die Städteinitiative Sozialpolitik ist eine Sektion des schweizerischen Städteverbands und vertritt die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten aus allen Regionen. Sie setzt sich für ein kohärentes System der sozialen Sicher

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