Intervallfasten: Nobelpreisdiät (fast) ohne Genussverzicht

Intervallfasten

Intervallfasten soll die Lebenserwartung erhöhen sowie Herzkreislauferkrankungen, Krebs und Alzheimer vorbeugen – und das fast ohne Verzicht auf Genuss. Seit einigen Jahren liegt es voll im Trend.

Jedenfalls spätestens seit Yoshinori Ohsumi den Nobelpreis für Arbeiten zur Autophagie erhalten hat. Sie verstehen nicht, worauf ich hinauswill? Keine Sorge. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie moderne Molekularbiologie, Nahrungsverzicht und Gesundheit zusammenhängen.

Was ist Intervallfasten?

Intervallfasten – auch Intermittierendes Fasten oder Intermediärfasten genannt – ist eine Fastenmethode, bei der sich Essens- und Fastenperioden in kurzen Abständen abwechseln. Eine Möglichkeit ist, dass einer Fastenperiode von 24 Stunden eine Essensperiode von 24 Stunden folgt. Dieser Ansatz wird auch als „Every Other Day Diet“ (EOD) oder „Alternate Day Fasting“ (ADF) bezeichnet. Alternativ kann das Intervallfasten auch innerhalb eines Tages geschehen, üblicherweise mit einem Fasten-zu-Essen-Zeitverhältnis von 16:8 Stunden (oder 18:6 oder auch 20:4 Stunden). Während der Fastenintervalle sind Wasser, ungesüsste Tees sowie Kaffee erlaubt. Eine Umstellung der Ernährung ist zunächst einmal nicht vorgesehen. Das und die zeitlich leichte Integrierbarkeit in den Alltag macht das Intervallfasten zu einer sehr niederschwelligen Fastenmethode.


Autophagie: Wenn Zellen Frühjahrsputz und Recycling auf einmal betreiben.
Autophagie: Wenn Zellen Frühjahrsputz und Recycling auf einmal betreiben. (Bild: Kateryna Kon – shutterstock.com)

Wie wirkt Intervallfasten im Körper?

Das sind beeindruckende Resultate. Und ein wenig kontraintuitiv. Nahrungsentzug bringt man ja eigentlich eher mit „Mangel“ in Verbindung als mit „Gesundheit“. Doch ein Blick auf die Biochemie des Intervallfastens zeigt, wie und wo sich der Essensverzicht positiv auswirkt. Es werden mehrere Wirkmechanismen diskutiert, fokussieren möchte ich mich jedoch auf einen, für den es 2016 den Nobelpreis für Medizin gab: die Autophagie.

Autophagie kann man auch als „Frühjahrsputz“ der Zellen bezeichnen. Es werden nicht mehr gebrauchte oder schädliche Moleküle „entsorgt“. Wobei hier der Vergleich mit dem Frühjahrsputz zu hinken beginnt und man eigentlich eher von einem hocheffizienten Recycling sprechen müsste. Stellen Sie sich vor, Sie könnten kaputte Stühle, Tische und alte Computer in eine Maschine werfen, und heraus kämen funkelnagelneue Designermöbel und MacBooks! Das ist ungefähr das, was Autophagie biochemisch macht. In den sogenannten Lysosomen, kleinen „Kapseln“ innerhalb einer Zelle, werden defekte Proteine, Giftstoffe oder kaputte Zellmembranbestandteile „recycelt“. Der Clou: Autophagie wird durch Hungerperioden (beim Menschen ab 16 Stunden) ausgelöst.

Autophagie als Zellprozess war schon länger bekannt, seine Mechanismen jedoch waren bis zu den Arbeiten des japanischen Zellbiologen Yoshinori Ohsumi unbekannt. Er konnte herausfinden, welche Gene und damit auch welche Proteine für die Autophagie-Prozesse verantwortlich sind. Dafür bekam er 2016 den Nobelpreis für Medizin.

Wie kann Intermediärfasten umgesetzt werden?

Für die meisten Menschen ist sicherlich das Intervallfasten innerhalb eines Tages die praktischste Methode. Dabei muss einfach nur eine Fastenperiode von mindestens 16 (bis zu 20) Stunden eingehalten werden. Das kann z.B. einfach dadurch geschehen, dass man das Frühstück weglässt. Hat man am Abend zuvor z.B. um 19.00 Uhr gespeist, kann man im Prinzip ab 11:00 Uhr wieder etwas essen. Generell gilt: je länger die Fastenperiode, desto grösser der Effekt.

Wer aus nachvollziehbaren Gründen auf das Frühstück nicht verzichten kann oder will, lässt entsprechend einfach das Abendessen weg. Diese Option hätte dann noch den Vorteil, dass man den Körper vor dem Schlaf nicht unnötig mit Verdauungsaufgaben belastet.


Der japanische Molekularbiologe Yoshinori Ohsumi
Der japanische Molekularbiologe Yoshinori Ohsumi (Bild: Wikipedia, Bengt Nyman / CC-BY 2.0)

Was bewirkt Intervallfasten?

Dem Intervallfasten (IF) wird eine ganze Reihe an grossartigen gesundheitlichen Effekten zugeschrieben, von denen ich im Folgenden die wichtigsten vorstellen möchte. Eines vorweg: Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren allesamt auf Studien mit Ratten und Mäusen. Diese Tatsache stellt einen Kritikpunkt dar, auf den ich im letzten Abschnitt eingehe.

1. Erhöhte Lebenserwartung

Eine Studie von 1986 zeigt, dass die IF-ernährten Tiere eine signifikant höhere Lebenserwartung haben als ihre ad libitum („nach Belieben“) gefütterten Artgenossen. Man beobachtete ebenfalls geringere Blutwerte an Glucose und Insulin sowie einen deutlich niedrigeren Blutdruck. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Befunde zur erhöhten Lebenserwartung beitragen.

2. Reduziertes Krebswachstum

Weiterhin fanden Wissenschaftler heraus, dass Krebstumore bei IF-ernährten Versuchstieren deutlich langsamer wachsen, unabhängig davon, ob die Tumore implantiert oder induziert wurden. Ebenso war die Lebenserwartung bei Ratten und Mäusen mit Tumoren deutlich erhöht, wenn sie mit einer Intermediärfasten-Diät ernährt wurden.

3. Reduzierte Diabetes-Symptome

Bei Ratten beobachtete man, dass das Fortschreiten einer diabetesbedingten Nierenerkrankung (einer sogenannten diabetischen Nephropathie) deutlich gebremst wurde. Bei sogenannten BB-Ratten konnten Forscher sogar feststellen, dass sich die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, bei IF-Tieren drastisch reduzierte.

4. Reduzierte Alzheimer-Symptome

Mäuse, bei denen per Genmanipulation künstlich die Alzheimer-Krankheit hervorgerufen wurde, kamen damit viel besser zurecht, wenn sie nach IF ernährt wurden. Genauer gesagt blieben ihre kognitiven Fähigkeiten besser erhalten.

5. Verbesserte Widerstandsfähigkeit

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass IF die Widerstandsfähigkeit erhöht. Eine Arbeit zeigte, dass die Gehirnzellen der Tiere durch IF widerstandsfähiger gemacht wurden. Eine andere Studie deutet darauf hin, dass Intervallfasten die Resistenz gegenüber Schlaganfällen erhöht. In einem anderen Versuch wurde untersucht, wie IF- und konventionell ernährte Ratten mit einer schweren Herz-OP umgingen. Das eindrückliche Ergebnis: Nach sechs Wochen überlebten 88,5 % der IF-Ratten, während es bei der anderen Gruppe nur 23 % waren.



Argumente gegen IF

1. Die Ergebnisse lassen sich nicht auf den Menschen übertragen.

Zugegeben, hier muss man mit Bedacht schlussfolgern. Auf der anderen Seite sind die beteiligten Zellmechanismen nicht so spezifisch, dass sich Nager und Menschen darin fundamental unterscheiden. Jedenfalls ist der Punkt nicht der, wie Ernährungswissenschaftler Jürg Hösli argumentiert, dass wir im Gegensatz zu Mäusen ein Bewusstsein haben, dass dazu führt, dass „der Kopf in eine Richtung will und der Körper in die andere.“ Selbstverständlich wird jede Fastenbemühung durch Willensschwäche torpediert! (Dazu braucht man kein Ernährungswissenschaftler zu sein).

2. Intervallfasten ist nur ein modischer Name für die gute alte „Oma-Diät“.

Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettler – diese Regel scheint dem Insulinspiegel ähnlich gut zu tun wie das Intervallfasten. Mag sein; dass dadurch auch Autophagie in Gang gesetzt wird, kann bezweifelt werden.

3. Intervallfasten taugt nicht zum Abnehmen.

Das ist aber auch gar nicht der Zweck.

4. Intervallfasten führt zu Selbsttäuschung in Bezug auf Ernährung.

In den Essensintervallen kann man voll reinhauen – egal wie ungesund! Oder? Es ist kaum anzunehmen, dass jemand intervallfastet, nur um die Esszeiten mit Junkfood zu füllen. Und selbst wenn man an seiner Speisekarte nichts ändert – besser mässig gesund essen mit IF als ohne.

 

Titelbild: SewCream – shutterstock.com

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Meine Leidenschaft: Sprache. Meine Ausbildung: naturwissenschaftlich. Meine Themen: Gott - und die Welt.

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