Unlautere Fleischwerbung: Proviande wird von Lauterkeitskommission gerügt

Anfang Jahr reichte Tier im Fokus (TIF) Beschwerde gegen eine Fleischwerbung von Proviande ein. Nun hat die Schweizer Lauterkeitskommission der Tierrechtsorganisation teilweise recht gegeben.

Die Kritik am Fleisch wächst. Proviande, die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, musste reagieren und passte ihr Marketingkonzept an. Nun wird nicht länger der Geschmack („Alles andere ist Beilage“) beworben, sondern die Schweizer Tierhaltung. So etwa mit der Hühner-Werbung „Logenplätze für unser Geflügel“.

Die Werbung zielt auf das sogenannte Tierwohlprogramm des Bundes ab mit dem klingenden Namen „besonders tierfreundliche Stallungen“ (BTS). BTS-Masthühner werden jährlich mit neun Millionen an Steuergeldern gefördert. 2017 beteiligten sich 92 Prozent der Hühnermäster*innen an dem Programm.

Im Stall ist vom Tierwohlprogramm indes nichts zu erkennen. Das zeigte anfangs Jahr eine umfangreiche Recherche in BTS-Hühnerställen. Verdeckte Aufnahmen aus fünf riesigen Hallen zeigen verstörende Zustände. Tausende Hühner leben auf engstem Raum, viele davon krank, verletzt oder tot. Die Betriebe produzieren für Migros, Coop und Frifag – die grossen Drei der Schweizer Hühnerindustrie. Die Aufnahmen publik gemacht hat die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF).

Daraufhin reichte TIF gegen die Proviande-Werbung Beschwerde bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission ein. Um sich zu verteidigen, heuerte Proviande zwei Anwält*innen an. Dennoch bekam TIF nun teilweise Recht.

Hühner bleiben meist im Stall

Die Kritik von TIF zielte auf die Werbeaussage ab, dass „das Geflügel in BTS-Ställen tagsüber stets Zugang zu einem Wintergarten“ habe. Proviande räumt in ihrer Stellungnahme ein, dass der Zugang zum Wintergarten bis zum 21. Lebenstag freiwillig ist. Ausserdem würden Masthühner bereits in einem Alter von 22-37 Tagen wieder geschlachtet.

Für die Lauterkeitskommission widerspricht diese Aussage dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und ist folglich unlauter. „Im Lichte dieser Tatsachen ist es zumindest irreführend, wenn ein Zugang zu einem Aussenklimabereich als generell besonders positive, zeitlich unbeschränkte Eigenschaft (’stets‘) angepriesen wird, wenn dieser Zugang im Grossteil der Lebensdauer eines Tieres gar nicht empfehlenswert ist resp. der Zugang nur während weniger Tage überhaupt relevant wird.“

Die Lauterkeitskommission empfiehlt Proviande deshalb auf diese Aussage zu verzichten. Rechtlich bindend ist das nicht. Dennoch ist die Empfehlung der Lauterkeitskommission gewichtig. Denn Proviande droht sonst ein Imageschaden.

Kleingruppen-Werbung erlaubt

TIF kritisierte ausserdem die Werbeaussage, dass die vorgeschriebenen Sitzmöglichkeiten in BTS-Hühnerställen den „natürlichen Bedürfnissen“ der Hühner Rechnung tragen würde. Ausserdem, so TIF in der Beschwerde, ist „der Gesamteindruck der Werbung […] irreführend und damit unlauter, weil mit den drei abgebildeten Hühnern und dem holzigen Hintergrund eine Kleingruppenhaltung im Hinterhof als BTS-Standard suggeriert wird.“

Hier folgt die Lauterkeitskommission der Argumentation von Proviande. Werbeaussagen seien nach dem Verständnis der angesprochenen Durchschnittsadressaten – nämlich Fleischesser*innen – zu beurteilen. Diese würden erkennen, dass die Abbildung nicht 1:1 der Realität entspreche. „Daher ist vorliegend weder der Gesamteindruck des vorliegenden Werbemittels noch die Bewerbung der erhöhten Schlafplätze zu beanstanden, da diese nicht in tatsächlichem Widerspruch zu den gesetzlichen Grundlagen stehen“, so die Lauterkeitskommission.

„Die Politik soll Proviande die Steuergelder streichen“

Bei TIF kann man die Argumentation der Lauterkeitskommission nicht nachvollziehen. „Wir hatten nicht beanstandet, dass die Werbung dem Gesetz widerspricht“, so Sennhauser. Vielmehr würde die Werbung ein falsches Bild der industriellen Tiernutzung zeichnen. „Das Gros der Fleischessenden weiss nicht, wofür das staatliche Tierwohlprogramm BTS in der Hühnerhaltung steht.


Diese Haltung gilt beim Bund als „besonders tierfreundlich“. (Bild: Tier im Fokus)

Das zeigt eine repräsentative Studie im Auftrag von TIF vom Februar 2018. BTS weckt bei der Bevölkerung falsche Erwartungen. Fast 90 Prozent glauben fälschlicherweise, dass BTS-Hühner regelmässigen Auslauf hätten. Ausserdem schätzen 70 Prozent, dass pro Quadratmeter lediglich bis zu fünf Hühner erlaubt seien. Tatsächlich dürfen auf dieser Fläche bis zu 15 Hühner gehalten werden. „Mit dem BTS-Programm täuscht der Bund die Steuerzahlenden“, sagt Sennhauser.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie der Staat der Tierindustrie finanziell unter die Arme greift. Mit dem BTS-Programm erhalten Mäster*innen rund einen Franken pro Hühnerplatz und Jahr. Weiter bezieht Proviande 12 Millionen an Steuergeldern im Jahr. „Der Staat schafft ein irreführendes Tierwohlprogramm und fördert dann dessen unlautere Bewerbung“, kritisiert Sennhauser. TIF fordert die Politik auf, Proviande die Steuergelder zu streichen. Fleischwerbung würde zudem den Konsum unnötig ankurbeln.

Auch die BTS-Subventionen will TIF umverteilen. Anfang Jahr lancierte die Tierrechtsorganisation eine Petition (www.hühner-schwindel.ch), die die Streichung der BTS-Gelder für Masthühner fordert. „Die Haltung von Schweizer Masthühner ist alles anderes als ‚besonders tierfreundlich’“, sagt Sennhauser. Unterdessen haben die Petition fast 3.800 Leute unterzeichnet.

 

Quelle: Tier im Fokus
Titelbild: Symbolbild © Djem – shutterstock.com

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